About
1983 habe ich mein KW-Studium an der LMU München (und damit die seinerzeit begehrte Dipl.-Journ.- Ausbildung an der DJS) u.a. deshalb geschmissen, weil mir der damalige Instituts-Chef Wolfgang R. Langenbucher in einem Seminar frei heraus erklärte: „Wir interessieren uns hier nicht für die Realität in den Medien, für den Alltag – wir interessieren uns für den möglichen Idealzustand. Den wollen wir erforschen – denn wir sind Wissenschaftler.“
Ich hatte nach einer Elegie Langenbuchers auf die Errungenschaft und Unantastbarkeit der Pressefreiheit die Intervention eines (kommunalen) Anzeigen- und Druck-Kunden bei der Verlagsleitung gegen eine investigative Reportage geschildert, die ich wenige Tage zuvor in der Lokalredaktion der renommierten Boulevard-Zeitung „XX“ selbst erlebt hatte. Welchen Wert haben Erforschungen der Kommunikations-Zukunft, wenn sie sich nicht auf die Realitäten und Niederungen des Alltags (des „real life“) beziehen…?
25 Jahre bin ich in der Medienbranche in allen klassischen Segmenten als Reporter, Redakteur, Entwickler und Berater tätig gewesen. Nie in der zweiten oder dritten Reihe – immer für und bei führenden Medienunternehmen und Titeln. Nie als „Gutmensch vom Dienst“ – trotzdem auf Basis einer journalistischen Grundethik: Respekt vor dem Menschen, Wahrnehmung des „Wächteramts“ der Medien, Schutz der Wahrheit und Vermittlung objektiver Information. Nie als lebensferner Moralist oder Prinzipienreiter – sondern mit offenen Ohren und Augen für die Realitäten, Bedürfnisse und Themen der Mitmenschen. Ich berichtete für den sogenannten „guten Boulevard“, entwickelte „on the job“ Standards, Formate und Rubriken.
Die Geister, die ich rief – werde ich nicht mehr los. Statt dessen wurden sie mich los. Mit 47 und ohne je „karrieregeil“ für einen CvD-, Redaktionsleiter- oder Redaktionsmanagement-Job gespeichelt zu haben – stand ich faktisch auf der Strasse. Zwar neu-positioniert als Strategie-Berater und beteiligt an Entwicklungen der Medien-Zukunft – aber meine Permanenz-Akquise dauerte fast ein Jahr.
Aktualisierung: 09/08: Bis ich mich als Redakteur, Producer und Regisseur im Segment der „Corporate Communication“ und Industrie-Filmproduktion erneut etablieren durfte.
Aktualisierung 02/09: Die absehbaren Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise haben auch auf meine Industrie-Kunden (global agierende DAX-Konzerne in den Sparten LifeScience und Innovations-Technologien) mit Jahresbeginn voll durchgeschlagen. Die Folge: Verbreiterung der Auftrag- geberpalette und konkrete Projekte mit Hochschulen im Bereich akademischer Aus- und Weiterbildung mit semi-virtuellen „blended learning“-Konzepten.
Das ist nicht die Zeit der Larmoyanz – aber umso mehr ist es an der Zeit, Klartext zu reden und zu schreiben.
Über O-Töne ohne Nachfragen oder die Sicht „der anderen Seite“. Über den Mangel an Recherche. Über die „copy & paste“-Mentalität unter Journalisten. Über Kampagnen-Journalismus aus Bequemlichkeit. Über handwerkliche Unzulänglichkeiten und schlampige Technik. Über die Existenzberechtigung von Karriere-Köpfen zu Ungunsten von Berufungs-Journalisten. Über den Blödsinn von Quoten und das Unvermögen von Programm-Entwicklern und Chef-Redakteuren.
Über den Wahnsinn, ein seriöses Handwerk (und gelegentlich kulturell relevante Kunst) zum Mode-Beruf und zur Bühne von Image-süchtigen Egos und Parvenus verkommen zu lassen.
Jedes Volk hat nicht nur die Politiker, die es verdient – sondern auch die entsprechenden Medien.
Lieber Etienne Rheindalen,
Ihr letzter Satz beschreibt griffig und prägnant genau den Zustand, der für die Klartexter zur Feuerprobe wird.
Brot und Spiele scheint das übergreifende Credo der Medienlandschaft zu sein.
Ausnahmen bestätigen die Regel.
Herzlichst
Sören Strödel
🙂