ATTIKA 020: Provokationen & Thesen März 3, 2009
Posted by etiennerheindahlen in Bürger-Journalismus, Blogosphere, Communities, Ethik, Fernsehen, Fernsehkritik, Gesellschaft, Grundgesetz, Internet, IPTV, Journalismus, Krisen-Management, Kultur, Marketing, Media, Medien, Medienpolitik, Politik, Thesen, TV, Verfassung, Web, Web 2.0, Werbung, Wirtschaft.Tags: Attika, Boulevard, Boulevardisierung, Demokratie, Gesellschaft, Gesellschaftspolitik, Hegemonie, Herodot, Herrschaft, Information, Journalismus, Kommunikation, Krise, Medien, Medienvielfalt, Meinungsvielfalt, Politik, Presse, Presserecht, Thesen, Unterhaltung, Verfassung
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Fünf Thesen und Lösungsansätze
A T T I K A 0 2 0
Wir befinden uns im Anfangsstadium einer weltweiten Krise, die bei weitem nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen beinhaltet. Die Finanz- und Wirtschaftskrise könnte weltweit die Zustände und Perspektiven der unterschiedlichen Gesellschaften und Sozialstrukturen nachhaltig verändern – vermutlich allerdings nicht zum Vorteil des Grossteils der jeweiligen Bevölkerungen.
Von welchem Ende der Gesellschaft aus auch immer betrachtet: sich in den Chor derjenigen einzureihen, die ausschliesslich die Krise und ihre unmittelbar absehbaren Folgen bejammern, nutzt so gut wie niemandem. Abgesehen von den Mitgliedern einer überschaubaren Gruppe von Krisengewinnlern – politischen wie wirtschaftlichen.
Es ist unser aller Interesse, dass schnellstmöglich Ideen und Konzepte zur Überwindung nicht nur der sichtbaren Risse und Verwerfungen unserer Verhältnisse entwickelt, veröffentlich und auf breiter Basis diskutiert werden. Um dann im breitesten gesellschaftlichen wie politischen Konsens realisiert werden zu können. Um für Regierung wie Unternehmen und ebenso für Bürger den Weg in eine demokratische, aufgeklärte und gerechte Zukunft auf Basis einer globalen Wissens- und Informationsgesellschaft zu weisen.
Daher habe ich zu den fünf Themen Medien, (Welt-)Wirtschaft, Wachstumsglauben, gesellschaftliche Aussöhnung und globale Gesellschaft Thesen entwickelt, die zum Teil radikal anmutende Vorschläge, Ideen und Forderungen enthalten. Wahr ist, dass diese Thesen provozieren, thematisieren und polarisieren sollen. Ich werde in unregelmäßigen Abständen diese Thesen unter dem Konzept-Dach „Attika 020“ in meinem Blog veröffentlichen. Ziel ist es, mit diesen Gedanken und Anregungen eventuell eine breitere Diskussion in der Blogosphere und ebenso in verschiedenen etablierten Communities anzuregen. Heute meine erste These als erstes von insgesamt zehn Treatments zum Themenfeld „Medien und ihre Bedeutung für eine demokratische Gesellschaft“ .
Herodot 020
Rückkehr der Medien als demokratisches Korrektiv – These 1
Gesetzliche (steuerrechtlich relevante) Kategorisierung in journalistisch-kulturelle Medien und Unterhaltungs-/Werbe-Medien
Etwa seit Mitte der 80er-Jahre erfuhren etablierte und neu entstandene Medien aller Medienformen von „Vollangeboten“ mit der inhaltlichen Breite der klassischen Ressorts (Nachrichten, Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur und Lokales/Regionales) eine Distinguierung hin zu zielgruppen-fokussierten „Schwerpunkt-Angeboten“.
Vor allem traditionell- klassisch orientierte Medien haben bis in jüngste Zeit noch die gesamte Themenpalette des journalistischen „Vollangebots“ publiziert. In der Mehrzahl der jüngeren Medientiteln hingegen wurde teils schon bei der Konzeption auf populäre, deutlich boulevardorientierte Inhalte und Angebote gesetzt. Dies gilt vor allem für die etwa seit der Jahrtausendwende gelaunchten Internet-Angebote – sowohl für die Online-SpinOffs etablierter Titel wie für News- und Web 2.0- geprägte Portale; darunter auch solche, die sich lediglich einer eingeführten Medien-Marke bedienten und ansonsten aber mit den im Print-Bereich oder in TV-/Hörfunk-Programm parallel publizierten Inhalten nicht viel gemein haben.
Das gegenwärtige Resultat dieses Spaltungs- oder Evolutionsprozesses sind zwei Kategorien von Medienangeboten: Medien mit journalistisch-kulturell relevanten Inhalten. Und Medien mit vorwiegend der Unterhaltung dienenden Inhalten beziehungsweise Inhalten, die ein für die Refinanzierung des Mediums optimiertes werbliches Umfeld darstellen.
Diese unterschiedlichen Kategorien beinhalten folglich sich deutlich unterscheidenden Wert für die Entwicklung der Gesamtgesellschaft hin zu einer politisch aufgeklärten, von sozialer wie ethnischer Herkunft emanzipierten Informations- und Wissensgesellschaft. Journalistisch-kulturelle Inhalte können von hohem Wert für Bildung, Entwicklung und Selbstverständnis im Sinn demokratischer und gesellschaftlich-humanistischer Kultur sein, die als Teil der Grundlage für die Zukunft einer gerechten wie solidarischen globalen Gesellschaft angesehen werden kann.
Deutlich als Unterhaltungs-/Werbe-Medien ausgerichtete Medienangebote hingegen beinhalten lediglich eine Art simpler „Win-Win“-Situation: während einem breiten Publikum Inhalte, die ausschließlich der anspruchslosen Unterhaltung und Zerstreuung dienen, angeboten werden – können die Eigentümer der Medien in Kooperation mit der auf Werbung angewiesenen Wirtschaft im Gegenzug massenkompatible Produkte vermarkten und so entsprechende Umsätze generieren. Selbst vor der Annahme, dass diese ökonomischen Impulse als Teil des Wirtschaftssystems indirekt auch dem Publikum zu gute kommen, ist der gesellschaftliche Wert der reinen Unterhaltungs-/Werbe-Medien deutlich geringer als jener der journalistisch-kulturellen Medien mit ihren die Bildung und Entwicklung einer aufgeklärten, demokratischen Zukunftsgesellschaft fördernden Inhalten.
Aus diesem Grund sollte es eine für das Publikum deutlich identifizierbare und für die Medieneigentümer bzw. ihre Werbepartner auch wirtschaftlich relevante Unterscheidung der Medienangebote geben: als „Information“ klassifizierte Medien und als „Werbung“ eingestufte Angebote.
Den „Informations“-Medien könnten steuerliche Begünstigung und (gerade im Fall von aufgrund zahlenmässig kleineren „Zielgruppen“ wirtschaftlich benachteiligten Medienangeboten) staatliche Subvention gewährt werden. Eine solche Medienförderung hat zum Beispiel in Österreich den Bestand der vom dortigen Publikum nach wie vor wahrgenommenen Medien-und Meinungsvielfalt – vor allem im Print-Bereich – ermöglicht. Und dies, obwohl in Österreich früher und umfassender (teils auch deutlich innovativer) das Internet als Kommunikations- und Medienzukunft realisiert wurde – von Medienanbietern wie von einem breiten Publikum.
Im Gegensatz zu den „Informations“-Medien sollte den als „Werbung“ kategorisierten Medienangeboten eine „Ausgleichs-Steuer“ auferlegt werden. Die Höhe dieser Steuer ist aus dem Verhältnis von originär gestaltetem journalistischem Inhalt und Ausgaben für Beschäftigung und zertifizierte Ausbildung von Journalisten (Bild- wie Textjournalisten) zu den mit werblichen Inhalten belegten Anteilen des jeweiligen Medienumfangs und den jährlichen werblichen Umsätzen zu erheben. Ziel ist es, die Informations- und Meinungsvielfalt der Medien nicht nur zu erhalten, sondern deutlich zu verbreitern und zu vertiefen.
Dies kann nur geschehen, indem sowohl dem Medien- Publikum (also der gesamten Gesellschaft) als auch den Medieneigentümern Anreize für die zukunftsorientierte Nutzung bzw. Ausrichtung der Medien als Instrument einer aufgeklärten, demokratischen Entwicklung aller gesellschaftlichen Gruppen angeboten werden. Für das Publikum: weniger und deutlich als solche identifizierbare Inhalte mit ausschliesslich dem Zeitvertreib (Zeitraub?) dienenden Content. Mehr für die Entwicklung und unabhängige Meinungsbildung des Bürgers als gesellschaftlicher Persönlichkeit nützliche Inhalte. Für die Medieneigentümer: mehr Spielraum für eine von den Interessen und Vorgaben der Werbewirtschaft unabhängigere Mediengestaltung im ursprünglichen Sinn einer freien und dem Gemeinwohl verpflichteten Presse. Beginn der Erneuerung des partnerschaftlichen Verhältnis zwischen Medien und Publikum; dadurch initiiert eine erneuerte und bewusste Bindung des Rezipienten an die Medien seiner Wahl und folglich eine distinguiertere Definition des jeweiligen Medien-Publikums zur Nutzung des spezifischen Werbeumfelds mit dem Ziel einer ökonomisch funktionierenden Refinanzierung des jeweiligen Mediums.
Die Gefahr einer sich ausschliesslich an ökonomischen Maßstäben orientiernden Medien-Industrie (und einer immer stärkeren Monopolisierung von traditionellen wie internetbasierten Medienangeboten) ist eine Gefahr für jede Art von sozial, kulturell und ethisch entwickelter Gesellschaft. Die ausschließliche Orientierung von Medienangeboten auf ökonomischen Gewinn beinhaltet nicht nur die Gefahr der intellektuellen wie der sozialen Rückentwicklung der Gesellschaft mit dem Resultat anachronistisch anmutender Zwei-Klassenverhältnisse (extrem erscheinendes Szenario: Vermögende beherrschen als Massen-Konsumenten missbrauchtes Proletariat). Mangelnde Tiefe wie Breite der Informations- und Bildungsangebote ermöglichen und konsolidieren die Bildung einer feudalistisch anmutenden Gruppe von Besitzenden mit faktisch übergesetzlichem Herrschafts- und Gestaltungsanspruch. Die Mechanismen und Wirkungsprinzipien von Medien, die nach den Interessen und Zielen einer hegemoniale Herrschaft anstrebenden Minderheit der Gesellschaft ausgerichtet werden, sind hinreichend erforscht und bekannt. Medien, die immer weniger objektivierbare und journalistisch aufbereitete Informationen sowie diskutierbare Meinungen vermitteln, gefährden jegliche Form und Perspektive von Demokratie. Das Prinzip „Brot & Spiele“ ermöglicht und bewirkt eine tiefreichende Entpolitisierung des Bürgers und damit sein faktisches Abdanken von der Rolle des an der Gesellschaft und ihren Entwicklungen beteiligten und mitwirkenden Staatsbürgers – als Souverän des demokratischen Staats.
Die Eigentümer und die politisch wie wirtschaftlich nutzniessenden Protagonisten von immer weniger meinungs- und bildungsrelevanten Medien müssen im Interesse unserer demokratischen und aufgeklärten Gesellschaft mit legislativen Mitteln wieder auf die Grundlagen freier Medien und des Rechts auf Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt verpflichtet werden.
Quo Vadis Fernsehen – eine halb-theoretische Grundlagen-Betrachtung Juni 12, 2007
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Und so irren sie zweifelnd und trotz aller unsicheren Fragen scheinbar strotzend vor Selbstbewusstsein (oder doch die schiere Arroganz = Unsicherheit) durch die Zukunft der Medien, der Gesellschaft und der Medien-Gesellschaft: die „Macher“ des bundesdeutschen Fernsehens. Auf den „40. Mainzer Tagen der Fernsehkritik“ stellten altbekannte Medien-Köpfe und moderne Zeit-Geister in Vorträgen, Interviews und Board-Diskussionen wieder mal die Kompaß-Frage. „Wohin geht das Fernsehen – wohin gehen seine Zuschauer?“ http://www.epd.de/medien/medien_index_50311.html
„Fernsehen im digitalen Wettbewerb“ lautete eines der Konferenz-Mottos. Wie sich das bundesdeutsche Fernsehen – egal ob öffentlich-rechtlich oder werbefinanziert – im „digitalen Wettbewerb“ behaupten kann oder will, beantwortet es seit Jahren selbst: denn schon im „analogen“ Wettbewerb stochern Programm-Verantwortliche und Entwickler mit dürren Stöcken im Nebel. Serien- oder Lizenz-Einkäufe, Spin-Offs, Adaptionen von „Erfolgs“-Formaten anderer Sender – mehr haben deutsche Fernsehmacher nicht zu bieten. Dazu eine „Try-and-Error“-Mentalität, die ihresgleichen sucht. Wer sich die Zahl der allein seit Jahresbeginn an die Wand gefahrenen Eigenproduktionen deutscher Sender anschaut, der zweifelt am auch nur ansatzweisen gesunden „Hausverstand“ der Fernseh-Manager.
Und genau darin ist ein Teil der Misere zu orten: wieso haben wir so viele „Medien-Manager“ und so wenige „Medien-Macher“. Im Unterschied zu dem koordinierenden, planenden und verwaltenden Manager entwickeln Macher. Und das tun sie auf der Grundlage ihres Wissens und ihrer Wahrnehmung der Bedürfnisse der potentiellen Zuschauer, Leser, Hörer. Solche Bedürfnisse aber sind zweifellos nicht ausschliesslich aufgrund einer Unzahl an Statistiken und Befragungen wahrnehmbar.
Eine der unverzichtbarsten Eigenschaften eines „Medien-Machers“ sollte die höchst persönliche Sensibilität für die Stimmungen, Interessen und Entwicklungen in der Breite des Publikums sein. Die Legenden der deutschen Nachkriegs-Medienlandschaft wie Axel Caesar Springer, Werner Friedmann oder Henri Nannen machten ihre Blätter fast schon intuitiv (wie ich mal irgendwo gelesen habe: „mit dem richtigen Gefühl im Hintern“). Aber sie bewegten sich auch mitten in der Gesellschaft und ihr Begriff von „Gesellschaft“ reduzierte sich nicht auf den heute „Society“ genannten schmalen Ausschnitt einer relativ privilegierten und ganz und gar nicht repräsentativen Oberschicht. Oder jene Party- und „VIP-Event“-Besucher, die qua Gästeliste zu dieser zu gehören meinen.
Ich habe mich in den letzten zehn Jahren in unterschiedlichsten Redaktionen immer wieder mit der Frage, wann sie denn „das letzte Mal mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln unterwegs waren, in einer ganz normalen Kneipe ein Bier getrunken und „den Leuten“ zugehört“ haben, unbeliebt gemacht. Die Legenden des Journalismus – wie Egon Erwin Kisch und Ernest Hemingway – schrieben ihre bis heute lesenswerten Reportagen nicht aus Pressekonferenzen oder den Salons der „Gesellschaft“…sondern sie beobachteten und nahmen Menschen wahr, denen sie im sich eben nicht exponierenden Teil der realen Gesellschaft begegneten. Und zeichneten damit Bilder von Zuständen und Momenten der Zeitgeschichte, die heute gerne als zeitgenössische Sittengemälde bezeichnet werden.
Wer sich in den Medien – mehr oder weniger führend – betätigen will, der darf sich keinesfalls in eine freiwillige Isolation von seinem Publikum begeben. Die „Medien-Ghettos“ der Gegenwart aber bedingen genau eine solche Isolation. An die Stelle von Sensoren, eigener Wahrnehmung und Gespür für Stimmungen und Entwicklungen sind dafür Medien- und Freizeit-/Zukunftsforscher und Marktforscher getreten, die letztlich auch nur – als „repräsentativ“ bezeichnete – Statistik-Modelle und Befragungs-Kataloge vorzuweisen haben. Auf deren Interpretationen sich dann wiederum die Medien-Macher beziehen, wenn es um die Grundlagen der Entwicklung des Medien-Angebots in ihrem Verantwortungsbereich geht. Feigenblätter mit einer zwar durchaus realen Struktur – aber gänzlich ohne kohärente Textur.
Die Basis der Medienangebote sollte dem Zustand der breiten Gesellschaft entsprechen und das Publikum dort abholen. Seit geraumer Zeit aber fuhrwerken die Medien – und zwar vornehmlich unter Ansprache jener Reflexe in unserem Verhalten, die wir als „Unterhaltung“ wahrnehmen oder auch nur konsumieren – mit teilweise surrealen Konstrukten in der Gesellschaft herum. Die meist nur „in diesen Kreisen“ erstrebte Erlebniswelt der Medienmacher entspricht so wenig der Realität eines breiten Publikums – wie die Sorgfalt, neutrale Berücksichtigung von Hintergründen oder der Respekt vor Protagonisten den Forderungen nach intelligenter Unterhaltung oder objektiver Beobachtung und Berichterstattung im Kern eines wesentlichen Journalismus. Die Medien schaffen aus Ignoranz (oder noch schlimmer: als nicht selten kommerziell motiviertem Kalkül) Image-Stereotypen und künstliche Werte – und wundern sich dann, wenn das Publikum (sprich: die Gesellschaft) diesen nicht entsprechen oder annehmen kann. Oder will. Werte und Maßstäbe für Entwicklung oder Umgang mit der eigenen Existenz werden von den Medien immer häufiger in scheinbar „für jedermann“ adaptierbaren Vorbildern präsentiert – obwohl diese Vorbilder dann doch nur eher scheinwirkliche Simulationen sind. Das ist dann so wie in der ARD-Telenovela „Sturm der Liebe“, in deren Studio-Kulisse der Hotel-Aufzug direkt in die Treppe zum ersten Stock fährt. Der Zustrom frustrierter Medien-Nomaden in der virtuellen zweiten Chance der „Second Life“-Galaxis ist ein – wenngleich vermutlich zeitlich befristeter – Ausbruchsversuch aus dem simulierten Realitätsspiegel der etablierten Medien.
Bürger-Journalismus oder all die Angebote des Web 2.0 mit ihren „user-generated contents“ könnten hier ein Korrektiv zu den offensichtlich realitätsfernen Entwicklungen der etablierten Medien darstellen. Zumindest entstammt ein gewisser Teil der Beiträge aus diesen „demokratisierten“ Medien der Originärität der sich darstellenden Persönlichkeiten und bildet zweifellos eher eine Wiedergabe realen Lebens, Strebens und alltäglicher Umwelt dar. Die in so vielen Bereichen der Gesellschaft und der Berufswelt erwünschte Authentizität ist jedenfalls in den Web 2.0-Medien eher zu finden als in den konstruierten oder geschönten Abbildungen der Massenmedien.
Zurück zur Wahrnehmungs- und Entwicklungs-Krise der Medien. Das allgemeine Heil der Branche kann sich nicht auf TV-Formate „mit Nutzwert“ (wie z.B. „Super-Nanny“, „Der Schuldenberater“ oder „Das perfekte Dinner“) berufen. Zumal diese eher „sozial-pornographische“ oder voyeuristische Aspekte beinhalten. Wer in dieser Frühzeit der „demokratischen Fernseh-Revolution“ nicht mit sinn- und wertvollen, Realität entsprechenden und letztlich hochqualitativen Angeboten die sich immer stärker fragmentierenden Publikumsgruppen wahrnimmt, wird sich im Strudel künftiger Verwertungs- und Konsolidierungsspiralen bald sehr weit unten wiederfinden.
Die Wahrnehmung des Publikums und der Respekt vor diesem eigentlichen Souverän der Medien lernt und realisiert zur Zeit die britische BBC in beispielhafter Form. Dort werden auf digitalen Plattformen neue Brücken zwischen Journalismus (als demokratisch-gesellschaftlicher Grundfunktion), Unterhaltung und Bildung gebaut. Refinanzierbar und somit ökonomisch sinnvoll. Fragmentiert und somit den sich immer stärker aufsplitternden Patchwork-Gesellschaften entsprechend. Inhaltlich mit allen Wahrnehmungsorganen an den Entwicklungen und Strömungen des Publikums – ohne dabei dem Publikum scheinbar nach dem Mund zu reden und es dabei mit immer neuen Virtualitäten zu manipulieren.
Die „Tage der Fernsehkritik“ täten gut daran, sich spätestens für den 41. Veranstaltungs-Zyklus mit einer Neu-Orientierung der Aufgaben, der Wahrnehmungen und der Selbst-Postionierung der Medien und ihrer Macher zu befassen. Damit aus Verwaltern wieder Entwickler und Köpfe werden.
Boulevard Heiligendamm Juni 8, 2007
Posted by etiennerheindahlen in Bono, Bundeswehr, Campino, Demonstrationen, Feldjäger, Fernsehen, G 8, Geldof, Gesellschaft, Grönemeyer, Grundgesetz, Heiligendamm, IPTV, Journalismus, Media, Medien, n-tv, Politk, Rostock, Spiegel TV, TV, Verfassung.add a comment
Das G 8-Treffen in Heiligendamm neigt sich dem Ende zu – doch auch wenn noch die Abschlußkundgebung von „Block G 8“ in Rostock nicht begonnen hat und die Staatschefs (und auch die heute morgen regelrecht angekarrten Delegationsmitglieder der „Schwellenländer“) noch im Feudalbad Heiligendamm weilen ziehe ich für mich ein vorläufiges Resumée der Medien-Berichterstattung des G 8-Treffens.
Bis heute morgen habe ich außer auf http://blog.focus.de/wiegold/?p=105 bei keinem „Mainstream“-Medium den Einsatz von Aufklärungs-Einheiten der Bundeswehr mit Panzerspähfahrzeugen „Fennek“ thematisiert gesehen. Im Vorfeld des G 8-Treffens hatten verschiedene Zeitungen lediglich über Unterstützung durch die Bundeswehr im logistischen Bereich (Transportkapazitäten), bei medizinischer Versorgung (Bundeswehr-Ärzte im zivilen Kreiskrankenhaus) sowie bei der Überwachung des Luft- und Seeraums durch eine Fregatte der Bundesmarine berichtet. Der Einsatz von Pioniereinheiten bei der zusätzlichen Absicherung des „Sicherheitszaun“-Vorfelds durch das Verlegen von S-Drahtrollen wurde vereinzelt berichtet – die nicht ganz zutreffende Begründung aber, daß solches Verlegen der Polizei mangels spezieller Schutzbekleidung nicht möglich und daher die „Amtshilfe“ der Bundeswehr gesetztlich gedeckt sei, wurde widerspruchslos geschluckt. Die besondere „Schutzbekleidung“ besteht in verstärkten Arbeitshandschuhen aus Leder – die hätte sich die „Kavala“ problemlos bei dem zuständigen Wehrbereichskommando Küste I ausleihen können. Das Verlegen der S-Draht-Sperren selbst erfordert keine spezifischen Spezial-Kenntnisse. Die Bundeswehr allerdings darf lediglich im Spannungs- oder Verteidigungsfall zur Unterstützung beim Objektschutz nicht-militärischer Anlagen herangezogen werden. Das auf G 8-TV publizierte http://g8-tv.org/index.php?play_id=1721 und von mir in https://etiennerheindahlen.wordpress.com/2007/06/06/bundeswehr-panzer-amtshilfe-oder-illegaler-einsatz-der-bw-im-inneren kommentierte Video der „Fenneks“ im Überwachungseinsatz für die Polizei und gegen die G 8-Gegner ist sonst nirgendwo thematisiert worden.
Dafür zählte die zweifellos spektakuläre „Greenpeace“-Aktion, in deren Rahmen mehrere Schlauchboote in die Sperrzone vor Heiligendamm und Kühlungsborn eindrangen und von Einheiten der Bundespolizei rabiat abgedrängt bzw. gestoppt wurden, zu den „medialen Highlights“ aller Fernsehsender. Durch alle Nachrichtensendungen und Sonder-Berichterstattungen hindurch wurden die CvDs nicht müde, die Sequenzen im Action-Movie-Stil auf den Schirm zu bringen. Wobei ich mich frage, wie eigentlich z.B. „n-tv“ an die Live-Bilder aus dem Kamerahubschrauber (wem gehörte der eigentlich…?) kam. Dass Polizeihubschrauber ihre zur Lagebeurteilung dienenden TV-Bilder parallel an Fernsehanstalten übertragen (bzw. diese Sender von der „Kavala“-Einsatzleitung in real time mit „Bewegtbildern“ live gefeedet werden) sollte an sich stutzig machen. Für die Sender aber – und natürlich für die aus Heiligendamm berichtenden TV-Agenturen – zählte die „Greenpeace“-Aktion zu den Glücksmomenten des G 8-Gipfels.
Mag es Zufall sein, dass sowohl Agenturen als auch in Folge Redaktionen der „Mainstream“-Medien sich eine außerordentliche Serie an Falschmeldungen im Zusammenhang mit vermeintlichen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei „erlaubten“ ? Die taz hat dies als einziges etabliertes Medium in einem Korrespondentbericht beleuchtet: http://www.taz.de/dx/2007/06/08/a0262.1/text
Die Tendenz zur Boulevardisierung und somit Trivialisierung (man könnte auch formulieren: zur von politischer Meinungsbildung ablenkender Berichterstattung) ist erschreckend. Krawalle = Action = Aufmerksamkeit. Die „Bösen“ sind zwangsläufig immer die „Andersartigen“, „Unkonventionellen“ und „Renegaten“ – ohne dabei tatsächlich mittels simpelster journalistischer Arbeitsweisen das zu hinterfragen, was vordergründig zu sehen ist. Hinweise oder auch konkrete Verdachtsmomente auf den Einsatz von Provokateuren durch „mit dem Schutz der Inneren Sicherheit“ beauftragte Dienststellen oder Dienste wurde nur zögerlich aufgenommen oder „durch-recherchiert“.
Die Inhalte der Zusammenkunft „der Mächtigen“ selbst wurden eher spärlich beleuchtet. Zum einen aufgrund der durchaus eingeschränkten Berichterstattungsmöglichkeiten „aus dem Innersten“ des Konferenz-Zentrums – schliesslich gab es tatsächlich wohl kaum Möglichkeiten zu Gesprächen mit den Delegationsmitgliedern der G 8-Teilnehmer. Zum anderen lag es wohl weniger an den restriktiven Zugangs- möglichkeiten der „Inneren Zone“ in Heiligendamm (und schon gar nicht an den teilweise blockierten Zufahrtstrassen – da ja s.o. die Bundeswehr entsprechende maritime Transportkapazitäten bereit gestellt hatte) – denn offenbar an den verlockenden Freizeitmöglichkeiten, die das Bundespresseamt den akkreditierten Journalisten in Kühlungsborn vorhielt. Immerhin hat sich Spiegel-TV-Online durchaus humorig-gallig diesem Thema investigativ genähert: „Strand, Champagner und Massagen“ http://www.spiegel.de/videoplayer/0,6298,18932,00.html.
Meiner Ansicht nach ziemlich in die Hose gegangen sein dürfte auch das „Deine Stimme gegen Armut“-Konzert in Rostock. Das durchaus ambitionierte Programm – neben engagierten Musik-Größen wie Geldof, Bono, Campino, Grönemeyer etc. traten internationale Persönlichkeiten aus der Anti-Globalisierungsbewegung auf der Bühne auf – ist verschiedenen Presseberichten zufolge nur unter dem „Music & Party“-Aspekt wahrgenommen worden. Ein grösserer Teil der Konzertbesucher war wohl eher an den – bei Eintrittspreisen um 2,50 € zzgl. Vorverkaufsgebühr – extrem billig zu erlebenden Stars interessiert denn an Zuspielern, Interviews und Dokumentationen über die Armuts- und Ausbeutungsproblematik. Nun – wohl auch, weil wirklich an den Themen interessierte und sich engagierende MitbürgerInnen zur gleichen Zeit den Protest an den „Sicherheitszaun“ und die dahinter parlierenden Mächtigen tragen wollten und mussten.
Mein Fazit: Programmverantwortliche, CvDs und auch JournalistInnen „vor Ort“ sollten sich schämen, die tatsächlich nicht weltbewegenden – sondern eben auch uns alle angehenden – Themen zugunsten billigstem populistischen Trash und Boulevard publiziert zu haben. Von den tendenziösen (und meiner Meinung nach demokratiefeindlichen und unzulässig polarisierenden) „Untertönen“ ganz zu schweigen. Journalismus sieht anders aus. Und wenn die bei allen möglichen anderen Gelegenheiten (z.B. bei Paparazzo-Themen) sich auf das Presserecht berufenen Medien-Unternehmen sich nicht bald wieder auf ihre wahren Aufgaben und Pflichten (!) besinnen, dann werden die „Mainstream“-Medien ein ähnliches Armageddon erleben wie zuletzt die Musik-Industrie. Was nicht weiter tragisch wäre, wenn auf alternativen Wegen und mit demokratischerem Hintergrund das Bessere das Überkommene und Korrumpierte ablöst.
TV-Unart #1: Teaser & Werbung hochgepegelt Juni 1, 2007
Posted by etiennerheindahlen in IPTV, journalism, Journalismus, Media, Medien, TV.add a comment
In allen professionell broadcastenden Fernsehsendern werden technische Sendestandards eingehalten. Unter anderem wird die Lautstärke der vorliegenden MAZen (egal ob analog, digital oder vom Server) auf 0 dB ausgepegelt. Grund: der Zuschauer soll auf allen Kanälen das gleiche Lautstärke-Level vorfinden.
Seit fast einem Jahr fällt mir auf, daß Teaser (die Eigenwerbung für später folgende Sendungen), Werbeblöcke sowie sendungsbegleitende Werbung („…die Sportschau im Ersten wird präsentiert von Hugendubel Pilsener…!!!) um eta 5 – 10 dB über dem Standard-Level gesendet werden. Das wirkt aufdringlich, belästigend – weil nervtötend.
Die Absicht ist offensichtlich: durch das Aufbrechen der „normalen“ Akustikumgebung soll das beworbene Produkt / Format dem Zuschauer auffallen. In vielen Haushalten und Alltagssituationen läuft TV als „Hintergrund-Medium“ (so wie „früher“ das Radio). Während das Programm relativ unbemerkt vorbeirauscht ist die Aufmerksamkeit ist auf andere Aktivitäten konzentriert. Das ändert sich in dem Moment, in dem scheppernd und plärrend eine Signation oder eine Off-Stimme was auch immer anpreist: die Aufmerksamkeit wird durch die lautere Akustik auf den Screen gelenkt. Zumindest so lange, bis man sich ausgeärgert hat und per remote control die Ursprungs-Lautstärke wieder hergestellt hat. Dafür erklingt dann logischerweise die nachfolgende Sendung um ca. 10 – 20 dB leiser (da man die störende Bewerbung eher leiser als das übliche und mehr oder minder erwünschte Programm stellt). Nerv-Faktor: langsam anschwellend, aber nachhaltig.
Meine Frage an Programm- und Ablaufverantwortliche: seid Ihr Euerer „Botschaften“ so unsicher, daß ihr zu der extralauten Werbe-Pauke greifen müsst? Intelligente Werbung und neugierig machende Programm-Teaser können auf derlei Laut-Schlägerei verzichten. Zumal die Werbung in deutschsprachigen Programmen gemeinhin nicht in dem Ruf steht, vom Publikum freudig und mit Interesse angenommen und begrüsst zu werden. Die IPTV-Plattformen freuen sich, wenn Ihr noch intensiver als bisher aus Zuschauern Platform-User macht. Die IPTV-Pioniere gehen mit dem Thema Werbung undSelf-Marketing wesentlich sorgfältiger und intelligenter um.