jump to navigation

Massives Unbehagen Juni 4, 2007

Posted by etiennerheindahlen in Fernsehen, G 8, Gesellschaft, Heiligendamm, journalism, Journalismus, Media, Medien, Politk, Rostock, TV.
trackback

Seit gestern mittag verfolge ich im Zusammenhang mit den Anti-G-8-Veranstaltungen intensiv die Berichterstattung und Kommentare sowohl der etablierten (Mainstream-) Medien als auch der „unabhängigen“ (alternativen) Netzwerke und der Blogosphäre. http://www.ogee.de/blog/2007/06/01/g8-20/

http://blog.smok.de/index.php/2007/06/

http://che2001.blogger.de/20070604/

Ich habe mir Bildergalerien und Videos (http://youtube.com/watch?v=0XdFjfnkCD4 ; http://youtube.com/watch?v=QOIp0QO12ac ; http://youtube.com/watch?v=Xa0WJ41lU6g&mode=related&search=) von den Vorgängen während Demo und Auseinandersetzungen am Rostocker Hafen angesehen. Fazit: Ein massives Unbehagen hinsichtlich sowohl der (einseitigen) Diktion der Mainstream-Medien als auch Unverständnis der offensichtlichen Verweigerung der KollegInnen, Hintergründe, Abläufe und Zusammenhänge zumindest zu hinterfragen – oder schlicht ihrer grundsätzlichen Aufgabe (und grundlegendem Auftrag) entsprechend zu recherchieren.

Ja, ich kenne den seit Jahren sich verbreitenden Unwillen von Reportern/Reporterinnen sich persönlich und so nah wie möglich am Zentrum des Geschehens ein möglichst objektives Bild von demselben zu verschaffen. Lieber bleibt man in der dritten, vierten oder letzten Reihe und befragt „Augenzeugen“. Am liebsten nimmt man ausschliesslich PKs wahr und hält den mehr oder weniger professionell agierenden Pressesprechern das Mikro oder den Recorder unter die Nase. Nachfragen finden kaum mehr statt (wie soll man die zweifellos von keiner Seite objektiven Statements auch mit kritischen Nachfragen konterkarieren oder relativieren, wenn man selbst nicht weiss, ob das Behauptete dem Geschehenen entspricht, da man selbst das Geschehene nicht aus eigener Wahrnehmung kennt?). Die Pressesprecher – egal für welche Organisation oder Institution sie sprechen –  können unwidersprochen oder unwiderlegt einfach behaupten und propagieren.

Ja, ich kenne die Steuerung der vor Ort „eingesetzten“ Berichterstatter über die Organisationsstränge „Chefredaktion-Chef vom Dienst-Ressortleiter“ in den Zentralredaktionen. Jeder CvD oder CvD-Assi behauptet, besser über Lage und Geschehen vor Ort informiert zu sein („weil wir haben ja die Agenturen und die Bilder von AP, AFP, Reuters“) als der Reporter vor Ort. Sofern die Berichterstatter sich – wie zuvor erwähnt – tatsächlich nicht am Geschehen befinden, mag das zumindest in bestimmtem Rahmen (vor allem bei komplexen und weiträumigen, dynamischen Lagen)  zutreffen. Trotzdem gilt unwiderlegbar das Prinzip, daß Berichterstattung „vor Ort gemacht“ wird – und nicht in den Redaktionen. Es sei denn, Medienbesitzer und ihre presserechtlich Verantwortlichen wissen schon vor Beginn der Veranstaltungen, wie die Berichterstattung aussehen wird und wie die Aufmacher-Zeilen zu bebildern, zu illustrieren sind.

Ja, ich kenne die zum Teil ausgesprochen mangelhafte persönliche Qualifikation (mehr Interesse am Status „Ich-bin-beim-Fernsehen“, an Karriere und Image als am tatsächlichen und an klaren Aufgabenstellungen orientierten Beruf bzw. Handwerk) von vor allem jüngeren KollegInnen. Mir ist sehr bewußt, dass am schnellen persönlichen „Erfolg“ interessierte ReporterInnen wesentlich leichter im Sinne einer bestimmten publizistischen Linien steuer- und lenkbar sind. Wenig fragen oder hinterfragen und statt dessen „auftragsgemäße“ Bilder, O-Töne und Berichte liefern.

Ich stelle mir Fragen.

Wie kann es sein, dass sowohl ZDF als auch SpOn bereits gegen 16:00 Uhr von „schweren Ausschreitungen in Rostock“ berichteten, obwohl die Zusammenstösse zwischen Polizei und „schwarzem Block“ erst gegen 17:00 Uhr begannen?

Wieso wurde ein Großteil des „schwarzen Blocks“ nicht aufgrund Verstosses gegen das Vermummungsverbot (StGB) beim Eintreffen in Rostock festgenommen bzw. erhielten einen Platzverweis?

Wie kann es sein, daß trotz intensiver Ermittlungstätigkeiten (vermutlich auch seitens der Verfassungsschutz-Behörden im verdeckten Rahmen) der Sicherheits-Behörden im Vorfeld der Anti-G8-Veranstaltungen diese sowohl von Stärke als auch von „Taktik“ der „Polit-Hooligans“ angeblich überrascht wurden?

Wieso werden in der Nachberichterstattung die Vertreter der Sicherheitsbehörden nicht mit dem in Teilen der alternativen Medien (indymedia und andere) kolportierten Verdacht des Einsatzes von „agents provocateurs“ in Reihen des „schwarzen Blocks“ konfrontiert?

Warum wird die Zahl der Verletzten auf Seiten der Polizeikräfte nicht hinterfragt? Auf den von mir wahrgenommenen Foto- und Video-Dokumenten ist nicht in einem einzigen Fall ein offensichtlich verletzter oder von Demonstranten attackierter Polizist zu sehen. Warum wird nicht hinterfragt, was nach den dienstrechtlichen Definitionen der Polizeibehörden die Kategorien „verletzt“, „schwer verletzt“, „schwerst verletzt“ konkret bedeuten? Wie sind Angaben zu verstehen, nach denen ein nicht geringer Teil der Polizisten mit der Diagnose „Reizgas-Vergiftungen“ als „verletzt“ klassifiziert wurden? Bedeutet dies, dass das polizeiliche Gegenüber Reizgas (CS, Pfefferspray o.ä.) einsetzte oder wurden die Beamten Opfer der eigenen polizeilichen Maßnahmen?

Fragen. Sehr viele Fragen. Eigentlich (sic!) sollten Medien derart offensichtliche Fragen zum Bestandteil ihrer Berichterstattung und publizistischen Würdigung erheben. So aber entwickelt sich in mir – als durchaus themen- und fachkundigem Journalist – eben ein massives Unbehagen. 

Kommentare»

1. Informationen zum G8-Gipfel « Tyrions Blog - Juni 7, 2007

[…] Falschübersetzung entstand (der Kommentar von monoma bzw. Blogeintrag ist auch sehr informativ). Etienne Rheindahlen hat Zweifel an der Berichterstattung und hat einige […]

2. News orwell läßt grüßen - Seite 11 - Aktienboard - Juli 4, 2009

[…] […]

3. Anonymous - November 21, 2010

[…] […]


Hinterlasse einen Kommentar